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Wühlmaus auf dem Kirchvorplatz

Bild zu: Wühlmaus auf dem Kirchvorplatz
Quelle: Daniel Gansauer

Wer wühlt da seit einiger Zeit vor unserer Kirche - und warum…?! Das werden sich einige fragen, beim Bummeln rund um die Stadtkirche! 

Da ich seit meiner frühen Kindheit Geschichte liebe und die Archäologen meine Helden waren, drücke ich mir seit anderthalb Wochen am Bauzaun die Nase platt. Leider nur abends, da ich in Vollzeit berufstätig bin...! Als Baukirchmeisterin „muss“ ich mich sowieso dafür interessieren, also habe ich freudig einen Termin mit der „Wühlmaus” vereinbart, schon allein um den Stand und die Ergebnisse für den Bau unseres Gemeindehauses zu erfahren. 

In mir leben zwei Seelen, zum einen meine Freude über die Ausgrabungen und die Spannung, was sie für die Geschichte unserer Stadtkirche ergeben und wie es damit weitergeht,- und die andere Seite,- was wird das für unser Gemeindehaus bedeuten?! Können wir die bestehenden Pläne weiterverfolgen oder muss umgeplant werden - und nicht zuletzt, - was wird uns der Spaß kosten…??!!

Die Wühlmaus …

… heißt Daniel Gansauer, er ist Archäologe und nimmt eine Ist-Aufnahme des eingetragenen Bodendenkmals „Kirchenvorplatz“ auf. Sein Bericht geht an den LVR (Landschaftsverband Rheinland) Abteilung Denkmalpflege Bonn. Herr Gansauer nimmt keinerlei Wertung vor, er verfasst nur einen „Fundbericht“ mit Grabungsplan, Fotos, Einmessungen, 3D-Scan. Das ist in der Fachsprache der Archäologen eine „Sachverhaltsermittlung“. Dabei geht es um die Feststellung der Funde, sprich: Ist etwas vorhanden? Was ist vorhanden? Wie ist der Erhaltungszustand? (vielleicht im Krieg zerstört?!). 

Bei einem eingetragenen Bodendenkmal weiß man schon vorher, dass etwas vorhanden sein muss, aber bisher gab es an dieser Stelle noch keine Untersuchungen! 

Der Bereich der Haagstraße liegt ca. 1,5m niedriger als der Kirchvorplatz, dort ist also davon auszugehen, dass hier planiert wurde und dass Mauern, falls vorhanden, „gestört“ sind. Gegraben wurde deshalb im Bereich des Kirch-Vorplatzes in Richtung Klosterstraße, und zwar in einem  „L-Schnitt“, 2m breit. Dass hier einige Leitungen (Strom und Wasser) durchgehen, habe die Grabungen erschwert, so Herr Gansauer.

Der Hintergrund der Grabungsfunde dürfte vielen, die sich in der Moerser Stadtgeschichte auskennen, bekannt sein: Auf diesem Grund stand ein Kloster, das im 16. Jahrhundert ca. dreißig Jahre Bestand hatte und dann in evangelische Hand fiel. Ein Teil des Klosters wurde damals abgerissen, ungefähr bis zur heutigen Kirche. Die Befunde der Grabungen belegen die Lage des Klosters nicht komplett deckend, aber recht gut, wie mir Herr Gansauer versichert. 

Gefunden wurden breite, gut erhaltene Mauern, die etwas größer als 90 Grad von der Kirche Richtung Haagstraße verlaufen. Das sind die vermuteten Außenmauern des ehemaligen Klosters. 

Die Außenmauern des spätmittelalterlichen Klosters

In Richtung Klosterstraße wurde außerdem das Fundament eines Pfeilers entdeckt, der dazugehörte, das Fundament eines Pilasters oder eines Stützpfeilers.

Außerdem ein Pflasterbereich, er besteht aus Backsteinen, die in die Zeit passen, mit Schwellen aus Natursteinen; diese gehörten wohl zum Kreuzgang und sind beim Graben abgesackt. Wahrscheinlich dienten diese Schwellen den (damals noch katholischen) Gläubigen als schmaler Übergang, um trockenen Fußes vom Kloster in die alte Kirche zu gelangen.

Dieser Bereich ist durch eine Leitung sehr stark „gestört“, alle weiteren Schlussfolgerungen wären daher aus Archäologen-Sicht nur Mutmaßungen.

 

Schwelle aus Natursteinen am Übergang zwischen Kloster und (alter) Kirche

 

Steine 1 X 1

Die Grabungsfunde zu den jüngeren Anbauten sind auf der Basis der Quellenlage noch nicht richtig zu erklären. Dazu bekomme ich von Herr Gansauer eine sehr gute Einführung in das kleine „Steine-Einmaleins“ der Geschichte: Dass man anhand von Schwere und Größe von Steinen recht leicht das Alter eines Bauwerkes bestimmen kann. 

Ab dem 19. Jahrhundert werden sogenannte Kanalklinker benutzt, die sogar genormt sind! Davor wurden Steine benutzt, wie sie vorhanden und zu bekommen waren. Kantenlängen von bis zu 30 cm, sehr breit und dick, wie hier im Klosterbereich verwendet, deuten immer auf das Spätmittelalter (15. Jahrhundert)  oder die Frühe Neuzeit (16. Jahrhundert) hin! Bei den Anbauten sind allerdings kleinere, schmalere Steine und auch Teilsteine angebaut worden. Das sind spätere Ergänzungen, die auch in die alten Klostermauern stark eingreifen. Hier kann man sogar Baunähte erkennen! Ich bin total fasziniert, dass auch ich als Laie das genau erkennen und unterscheiden kann! 

Folgt man dem „Kreuzgang“ auf der Klosterstraße in Richtung des momentanen Kircheneinganges erkennt man einen Brunnen, eines Hausbrunnen oder eine Zisterne, mit einer kleinen Treppe nach unten. Auch diese Steine sind „drangefrickelt“; es handelt sich hierbei wohl eher um „wiederverwertete“ Steine, teilweise aus Naturstein, vielleicht sogar römischen Ursprungs? ... , Recycling gab es damals natürlich auch schon! In dieser Zeit verfügte man in Moers nicht über die Logistik, Steine aus weiter Entfernung heranzutransportieren, was lag da also näher …?!

Das sind richtig alte Funde an unserer Stadtkirche, aus einem Zeitraum vom Ende des Spätmittelalters bis in die beginnende Frühe Neuzeit, bis in die Zeit der Reformation, in die Zeit, als Moers evangelisch wurde. Weil man aus den Quellen nur Informationen über Außenmauern des Klosters belegen kann, ist Herr Gansauer allerdings auch auf ein Rätsel gestoßen! Hinter der ersten Klostermauer wurden zwei kreisrunde Fundamente, verfüllt mit Stampfmasse mit einem kleinen Pflasterbereich gefunden! Es könnte sich hierbei vielleicht um einen Küchenbereich handeln.

Und was nun?

 

Herr Gansauer schreibt nun seinen Bericht und gibt ihn weiter. Der LVR (Landschaftsverband Rheinland) wird diesen Bericht auswerten und beurteilen. Das LVR entscheidet auch, ob weitere Grabungen stattfinden - oder nicht. 

Danach wird dann feststehen, ob das Gefundene erhalten bleiben und wie damit umgegangen werden muss! 

Die dabei entstehenden Kosten wird die Kirchengemeinde Moers tragen müssen, diese sind aber bis zu diesem Zeitpunkt, laut Herrn Gansauer, viel günstiger als die Kosten, die entstehen, wenn man „den Baukran und ein beginnendes Bauprojekt stoppen und anschließend umplanen muss“. 

Was das nun für die Planung des Gemeindehauses bedeuten wird, bleibt also abzuwarten ...

Fotos: Daniel Gansauer


Zuletzt bearbeitet: Heike Radziejewski