Geistlicher Impuls zum Sonntag Misericordias Domini - 18. April 2021

Verzeihen

16. April 2021 Kirchengemeinde
  • Bild zum Thema

„Wir werden einander viel verzeihen müssen “. 

Liebe Gemeinde,

immer wieder denke ich zwischendurch an einen Satz, den Jens Spahn, der Gesundheitsminister, zu Beginn der Pandemie gesagt hat. Er heißt: 

Wir werden einander viel verzeihen müssen “. 

Egal wie man zu ihm als Politiker steht, der Satz hat was, finde ich. Bis auf das Wort „müssen“, denn Verzeihen und „müssen“ das geht für mich nicht zusammen. Verzeihen, das setzt für mich Freiwilligkeit voraus.

Wir werden einander viel zu verzeihen haben, das denke ich stimmt. Einander, aber auch uns selbst. Ich mir, du dir.

Ich mir meine engen Grenzen, meine Ängstlichkeit, mein nicht so doll ausgeprägtes Gottvertrauen, meine Müdigkeit in der 3. Coronawelle und noch das eine oder andere.

Und du Dir? Das kannst nur du dir selbst ehrlich beantworten.

Mir hilft es, wenn es um Verzeihen geht, dass ich Gehörlosenseelsorgerin bin. Ich stelle mir die Gebärde vor.

Man sieht sie auf der ersten Seite. Verzeihen ist die gleiche Gebärde wie Entschuldigung und auch wie Heilen.

Da könnte man denken: Ja haben die Gehörlosen denn so wenig verschiedene Gebärden?

Nein, haben sie nicht, aber sie sind pfiffig und haben erkannt, dass unsere vielen hörenden Worte oft das Gleiche meinen: „Wir werden einander vielmals um Entschuldigung bitten müssen“, das ist ja das gleiche wie „Wir werden einander viel zu verzeihen haben“. Beide Male geht es darum, zu Entschulden, Schuld wegzunehmen.

Warum das sinnvoll und nötig ist?

Das zeigt die 3. Bedeutung der Gebärde: Es bringt Heilung.

Wir werden einander viel zu verzeihen haben.“ 

Ohne Verzeihen keine Heilung. Aber mit Verzeihen geschieht auch gleichzeitig Heilung. Man sieht es an der Gebärde: Verzeihen ist wie eine Salbe, die eingerieben wird, und die heilt, was mir unter die Haut gegangen ist. Toll, was eine einzige Gebärde zeigen kann, oder?

Zuerst einmal interessiert mich dabei meine und deine Heilung, nicht die des anderen, dem ich verzeihen könnte. In der Bibel heißt Verzeihen Vergebung. Und es ist das gleiche Wort wie „jemanden aus der Gefangenschaft entlassen“, also Freiheit schenken. Neudeutsch: loslassen. Loslassen bringt Heilung.

Aber bei allen Heilmethoden gibt es auch einen Heilungsprozess, der manchmal länger dauert und nicht einfach ist. Jeder, der selbst schon einmal eine Entschuldigung ausgesprochen, oder um Verzeihung gebeten hat, weiß das.

Wir werden einander viel zu verzeihen haben.“  

Während ich das sage, sitze ich am Ostergarten in Krefeld neben dem Symbol für das offene Grab Jesu. Zeichen der Auferstehung, der Befreiung aus dem Tod und des neuen Lebens im Himmel.

Aber es ist auch noch mehr als das. Ostern ist auch das neue Leben schon jetzt. Denn Ostern ist gleichzeitig auch das ganz große Verzeihen, das heilende Loslassen Gottes. Sein Loslassen unserer Schuld, unserer Fehler, oder um es mit dem altertümlichen Wort zu sagen: der Sünden der Welt.

Da gab und gibt es für ihn eine Menge loszulassen. Das ist kein Friede, Freude, Eiersuchen – Verzeihen. Dafür ist Jesus gestorben.

Hört sich pathetisch an, aber so hat Jesus sein Sterben verstanden: Als die einzige Möglichkeit, einen neuen Anfang mit Gott zu machen – unsere Beziehung zu ihm zu heilen.

Und weil wir Menschen es nicht selbst schaffen konnten, hat Gott es für uns gemacht. Hat uns alles vergeben, indem er Jesus auferweckte – ein neuer Anfang, neues Leben schon jetzt.

Er hat diesen lebensbejahenden Schritt auf uns zu gemacht. Wir werden uns vieles zu verzeihen haben.

Ich sehe es so: Wir werden uns vieles verzeihen können – weil es Ostern gibt. Wir werden uns viel verzeihen können - vielleicht sogar, dass wir uns mit dem Verzeihen und Loslassen so schwertun – uns selbst gegenüber und anderen. Aber eins weiß ich: Gott will zumindest, dass wir es versuchen – wir – du und ich auch.

Bleib gesund und tu Heilsames für Dich so gut du es schaffst.

Monika Greier, Gehörlosenseelsorgerin